Alles war angerichtet für das mit Spannung im BW 90-Umfeld erwartete „Spiel des Jahres“. Auch der Wettergott wollte sich nicht lumpen lassen und schickte tropische Temperaturen nach Tempelhof. Damit hatten nicht nur die Spieler und Zuschauer zu kämpfen, nein auch der Rasen zeigte gewisse Ermüdungs-Erscheinungen. Egal, am Einlass hielten Andy und Jens die Stellung und meisterten auch die schwierigsten Situationen routiniert: ob Bargeldverweigerer oder Bargeldhasser, ob Schwager oder Fernverwandter vom Spieler xy… – Leute, packt einfach 5 Taler auf den Tisch und gut ist.
Vor fast genau 3 Jahren gab es das Duell schon einmal und damals ging BW 90 bekanntlich als Sieger vom Platz. Die Vorzeichen waren diesmal aber sicher ganz anders. L47 hat weiterhin den Blick Richtung Regionalliga gerichtet und BW 90 möchte zurück in die Berlin-Liga. Das BW 90 in dieser Saison einen guten Kader zusammengestellt hat, blieb sicher keinem verborgen. Leider musste man auf viele Spieler verzichten, die aus unterschiedlichsten Gründen fehlten. Besonders die Offensive mit 4 Ausfällen war am stärksten davon betroffen. Trotzdem blieb das Prinzip Hoffnung erhalten, hatten wir doch u. a. die beiden Torschützen von damals am Bord.
Die Meinungen hinsichtlich des Spielverlaufs gingen dann auch ziemlich weit auseinander. Armin hatte 20 Goldstücke auf BW 90 gesetzt, er bekam sofort gratis viel Mitleid für den erwartbaren Verlust. Ein anderer Protagonist hielt auch eine zweistellige Niederlage für möglich. Einige andere waren der Meinung, dass die ersten 20 Minuten eine Richtung zeigen werden und sollte es dann noch 0-0 stehen, dann ist alles möglich.
Zurück zur Aufstellung: Banze als Innenverteidiger und unser neuer Grieche auf der Banze- bzw. Kohls-Position. Ob das gut gehen könnte? Banze hat schon oft gezeigt, dass er die Staubsaugerposition perfekt spielen kann und wenn nicht er, wer dann? Der neue Grieche schien seine Kernkompetenz eher auf der Außenbahn zu haben und schien nicht unbedingt tauglich für die schmutzige Arbeit. Not macht erfinderisch und man kann es vorwegnehmen, beide machten auf Ihre ungewohnten Positionen einen sehr guten Job, das hätte ich so nicht erwartet. Dann kam der Blick zur Aufstellung der Lichtenberger. Die Mannschaft hat sich in den letzten 3 Jahren fast komplett verändert. Stark verjüngt und das mit vielen ehemaligen U19-Spielern von Union und Viktoria. Damit war klar, dass das junge Team technisch, wie auch athletisch, viel Potenzial besitzt. Einer von den erfahrenen Akteuren ist noch übriggeblieben. Diesen Spieler sah ich zu Oberligazeiten schon einmal gegen BW 90 kicken, mit einer gewissen Bewunderung. Damals noch als Innenverteidiger agierend, hielt er den Strafraum rein und spielte fast fehlerlos. Mittlerweile scheint er den Tatort verlassen zu haben und ist jetzt Hauptdarsteller im gegnerischen Strafraum. Chapeau, wenn man im hohen Fußball-Alter noch mal das Betätigungsfeld wechselt, zumal es eigentlich fast immer genau anders läuft. Man fängt jung vorne an und hört alt hinten auf.
Zum Spiel: die ersten 15 Minuten gehörten den Gästen. Diese ließen den Ball gut laufen und bezogen im Spielaufbau den Keeper mit ein. Dieser agierte fast als dritter Innenverteidiger und das zum Teil auf Höhe der Mittellinie. Ähnlich offensiv habe ich bisher nur die Torhüter vom HSV bzw. 1. FCM gesehen. Ein gewagter Ansatz, der eine gute technische Ausbildung des Torhüters, wie auch der Innenverteidiger voraussetzt. Vorteil bei dieser Variante ist, dass man im Spielaufbau einen Mann mehr hat und die generischen Stürmer sich die Hacken wund laufen, wenn’s funktioniert. BW 90 griff erst ab der Mittelline an und schob sich ca. 25-30 m von der eigenen Grundlinie raus. Dadurch entstand ein kleines Feld, auf dem sich die Spieler tummelten. Damit war es fast unmöglich mit Kurzpassspiel die BW-Verteidigungslinien zu knacken. Ein probates Mittel wurde dann immer wieder eingesetzt: Schipp-Bälle hinter die letzten Kette. Diese verursachten hin und wieder Aufregung im Abwehrverbund der Blau-Weißen. Garniert wurde das ganze zum Teil auch mit Diagonalpässen, denen es aber oftmals an Präzision fehlte.
BW 90 hätte sich das in dieser Phase einfacher machen können, indem man punktuell den ballführenden Spieler schneller attackiert hätte und sich die Kette synchron beim Attackieren rausschiebt. Egal, diese Phase wurde mit etwas Glück überstanden und dann kam die beste Phase für BW. Ab der 20. Minute konnte sich BW spielerisch vom Druck der Lichtenberger befreien. Hier zeigten sich die Stärken der aufgestellten zentralen Spieler. Igkmpinompa (unser neuer Grieche) zog öfter mehrere Spieler auf sich und schuf damit Freiraum. Dieser wurde dann von Fabian Engel genutzt und er spielte dann die sauberen Flugbälle Richtung Außenbahn, die Tempo ins Spiel brachten. Darauf folgte dann oftmals ein Diagonalball und schon wurde es gefährlich. In dieser Phase wurden leider mehrere gute Chancen vergeben, wobei Fabi’s Freistoß ans Lattenkreuz nicht nur die Gläser im Casino erschütterten. Plötzlich lief das Bier aus den Leitungen wieder und manch einer sagte sich, „mach‘s bitte nochmal“. Kurz vorm Halbzeitpfiff versagten Oscar Llorente die Nerven, als er freistehend im Strafraum die größte Chance in Hälfte eins vergab.
In der Halbzeitpause schauten wir uns verdutzt an und konnten es kaum glauben, dass wir zu diesem Zeitpunkt hätten führen müssen.
Die zweite Halbzeit ist schnell erzählt. L47 erhöhte den Druck, ohne sich dabei große Chancen zu erarbeiten. BW schwanden aber zusehends sie Kräfte und mit den Auswechslungen von Wiebach und Igkmpinompa ging die Statik im Spiel verloren. Nun schien sich zu rächen, dass wir nicht bedarfsgerecht bzw. Positionsgetreu wechseln konnten. Eine der besten Chancen vergab in der 77. Minunte der schon oben erwähnte L47-Stürmer, indem er freistehend die Latte traf. In der 90. Minute beim Stande von 0-0 kam dann der Spruch des Tages “Scheiße, ich will in der Verlängerung verlieren“, nach dem Motto, „sterben ja, aber bitte später!“ Damit war alles gesagt. Jeder von uns wusste, dass uns die Kräfte verließen und wir uns trotzdem irgendwie die Verlängerung verdient hätten. Wir wollten einfach das Fünkchen Hoffnung am Leben erhalten. Dann kam aber das Leverkusensyndrom!
Wir schreiben die Minute 95 und bei einem Zweikampf 20 Meter vorm BW-Tor kommt ein Spieler von L47 zu Fall. Ein Aufschrei der Empörung bei den BW-Fans, da wir weder ein Foul noch eine andere Regelwidrigkeit erkannt hatten. Den Freistoß hielt Micha Hinz bravourös, auf Kosten einer Ecke. Diese wurde dann in Spielminute 97 getreten und von BW mehrfach geklärt, ohne dass der erlösende Pfiff kam. Dann entschied die Unparteiische in Spielminute 98 wieder auf Eckstoß und es kam, wie es kommen musste: Eckball auf den kurzen Pfosten, Verlängerung auf den langen Pfosten und dann drückte ein Lichtenberger Spieler das Gerät über die Linie. Als der Jubel der L47-Spieler abgearbeitet war, pfiff die Schiedsrichterin das Spiel ab.
Die Chronologie der letzten Minuten lässt erahnen, dass wir auf BW-Seite etwas mit dem Drehbuch haderten, speziell im Schlussakt. Unabhängig davon möchte ich noch die gute Atmosphäre unter den 250 Zuschauern erwähnen, die rund um die traditionsreiche Spielstätte herrschte. Nach dem Spiel wurde bei chilliger Musik das eine oder andere Getränk vernichtet sowie sich gegenseitig wertgeschätzt, das eine schließt also das andere nicht unbedingt aus.
An dieser Stelle wünsche ich den verletzten Spieler Cedrick Becker gute Besserung und 47 eine perfekte Saison. Bis bald und ja, beim nächsten Mal sind wir wieder dran.
Heja Blau Weiß!
Alexander Peter, Faninitiative BW 90