So ist das bei den Hansa Amateuren. Mal stehst du auswärts mit vier Mann in Brieselang, mal fackeln rund 150 blau-weiß-rote Sportsfreunde fast die Wiese im Strausberger Stadion ab. Mal werden die Tassen in Staaken gehoben, mal gibt es eine Wasserschlacht bei Hürtürkel. Mal lautet das Motto „Sextourismus“ bei der Auswärtssause nach Frankfurt Oder (Slubice zog an wie ein Magnet), mal wird das Ganze eher ruhig angegangen. Von der Anzahl der Hansa-Fans lag das Ganze am gestrigen Nachmittag irgendwo in der Mitte des Spektrums. Schätzungsweise rund 50 der insgesamt 150 Zuschauer waren Anhänger des FCH, doch die meisten waren zivil unterwegs. Nur einige trugen offen ein paar Hansa-Utensilien.
Insgesamt ergab sich eine recht interessante Mischung. 150 Zuschauer – das klingt nicht allzu dolle. Doch langweilig wurde der Nachmittag keineswegs. Während und nach dem Spiel ergaben sich etliche Gesprächsmöglichkeiten. Neben den rund 20 bis 30 Blau-Weiß-Anhängern, die so ziemlich jedes Spiel mitnehmen, war sogar ein älterer (aber immer noch frisch und mobil aussehender) Herthaner vor Ort, der in seinem Leben ganz gewiss schon einiges erlebt haben dürfte. Sein Bruder hatte ihn mitgeschleppt, und als Ü40 / Ü50-Althauer wird über die einst gepflegte Rivalität zwischen Hertha und Blau-Weiß schon mal beim Bierchen milde gelächelt. Ebenso vor Ort war ein älterer Unioner, der sich über das gut ausgestattete Vereinsheim sehr erfreut zeigte. Angebrachte Fotos vom einstigen legendären Pokalspiel der Eisernen gegen Borussia Mönchengladbach ließen seine Augen leuchten.
Solche Amateurspiele sind nun mal der perfekte Ort, um sich auf ein paar Bierchen zu treffen und über dieses und jenes auszutauschen. Dass dies abseits des hochgepimpten Profifußballs nicht noch mehr genutzt wird, ist eigentlich erstaunlich. Das gezapfte Bier für 2,50 Öcken, die Wurst zum gleichen Preis, sowie ein Spiel, bei dem man dichter nicht dran sein könnte. Zwar ist es bedauerlich, dass bei Blau-Weiß 90 derzeit nicht auf dem Rasenplatz gespielt wird, doch dafür steht man als Zuschauer am Kunstrasenplatz direkt an der Außenlinie. Ein Geländer gibt es nicht, und somit hat das Ganze ein bisschen was von Fußball in der guten alten Zeit, bei dem die Massen auch direkt an bzw. auf den Außenlinien saßen und standen.
Nun denn, von Massen darf in diesem Fall nicht gesprochen werden, doch nett war es in jedem Fall, da bei Blau-Weiß 90 halt ein paar Fans punktuell für ein wenig Stimmung sorgen. Apropos Massen. Gesprächsthema war unter anderen auch das Freitagsspiel von Tennis Borussia Berlin. Die dortigen Probleme dürften bekannt sein. Die aktive Fanszene bleibt derzeit den Spielen fern, und demzufolge brachen die Zuschauerzahlen ein und die Stimmung erinnert an die muffige Zeit in den 90ern. Offiziell angegeben wurden über 600 Zuschauer, was von vielen nur als dreiste Lüge abgetan wird. Allerdings war laut Augenzeugen die Zuschauerzahl in der Tat in jenem Bereich. Allerdings wurde mobil gemacht und das Publikum im Mommsenstadion ist halt derzeit ein wenig anders.
Um zurück zur Sp.Vg. Blau-Weiß 90 zu kommen: Dort ist noch ein wenig Aufbauarbeit von Nöten, um ähnliche Zuschauerzahlen wie beispielsweise beim SV Lichtenberg 47 (derzeit rund 300 Zuschauer) zu erreichen. Am Sportlichen kann es nicht liegen, denn nach äußerst dünnem Saisonstart ist der Aufsteiger derzeit gut in Form und wird ziemlich sicher die Klasse halten können. Gestern zu Gast war mit den Amateuren des F.C. Hansa Rostock ein echtes Kaliber. Rang vier ist der Stand der Dinge, das Hinspiel konnte Hansa II klar und deutlich mit 5:0 gewinnen. In den neun Spielen zuvor gingen die Hansa Amateure nur einmal (3:4 in Greifswald) als Verlierer vom Platz. Dieser Niederlage stehen sechs Siege und zwei Unentschieden gegenüber. Aber auch die jüngere Bilanz von Blau-Weiß 90 kann sich sehen lassen. Die Bilanz der vergangenen neun Partien: Fünf Siege, zwei Remis und zwei Niederlagen. Zuletzt musste man sich allerdings der TSG Neustrelitz mit 0:2 geschlagen geben.
Mund abputzen hieß es an der Rathausritze. Ein Sieg sollte her, um den Abstand zur Gefahrenzone zu halten. Wie viele Mannschaften am Ende der Saison absteigen müssen, wird sich noch zeigen. Im schlimmsten Falle würde sogar Rang 12 nichts Gutes bedeuten. Und siehe da, die Konkurrenz unten schlief nicht. Sowohl Anker Wismar und der Brandenburger SC Süd 05 als auch der SC Staaken konnten jeweils drei Punkte einfahren. Verlierer des Spieltages wurde der 1. FC Lok Stendal, der daheim vor 404 Zuschauern den Jungs aus Torgelow mit 1:4 unterlag. Bei Blau-Weiß 90 lief es indes am gestrigen Nachmittag sehr gut. Bei Sonnenschein wurde der Ball laufen gelassen, in der 20. Minute wurde die erste Frucht als Lohn der Arbeit geerntet. Nicolai Kitzing erzielte das 1:0 und kurzerhand schnappte sich ein Ersatzspieler einen blauen Kegel und zeigte auf dem Platz seine Freude.
Auf dem Kunstrasen spielte der Gastgeber nach der Führung munter weiter, und ein Hansa-Fans motzte lautstark die Rostocker Spieler an. Da müsse einfach mehr kommen, der Platz sei doch keine Liegewiese. Wenngleich das herrliche Frühlingswetter dazu einladen würde. Mit flotten Schritten lief der besagte Fan erst einmal zum Bierstand. Ein frisch Gezapftes zur Beruhigung. Unmittelbar vor der Pause machte Fabian Engel sein erstes Saisontor. 2:0 für Blau-Weiß 90, an der Ecke wurden Schlachtrufe angestimmt und die Trommel betätigt.
Die gute Laune der Heimfans hielt auch in der zweiten Halbzeit. Man durfte mit der besagten Leistung wahrlich zufrieden sein. In der 50. Minute machte Kevin Gutsche das 3:0 klar, und der Drops schien gelutscht. Immerhin konnte Gordon Grotkopp in der 88. Minute noch den Ehrentreffer für die Hansa Amateure erzielen. In der Nachspielzeit bugsierte Ben-Luka Ehlers noch den Ball ins eigene Gehäuse. 4:1 der Endstand aus Sicht der Berliner.
Eine weitere Nachspielzeit gab es vor dem Vereinsheim. Dank der Zeitumstellung konnte die Abendsonne noch etwas länger genutzt werden, Thema war unter anderen das kommende Auswärtsspiel der Blau-Weißen in Brandenburg. Auf das Spiel in der Havelstadt habe er 27 Jahre warten müssen, erklärte ein Fan. In der Zweitligasaison 1991/92 (2. Bundesliga Staffel Nord) trat Blau-Weiß 90 gleich zweimal in Brandenburg an. Am 15. Dezember 1991 konnte vor 2.300 Zuschauern Stahl Brandenburg mit 3:1 bezwungen werden. Andreas Löbmann, Eike Küttner und René Deffke erzielten die Treffer. In der Abstiegsrunde musste Blau-Weiß am 7. März 1992 noch einmal ran. Dieses Mal wollten sogar 3.100 Fußballfreunde dieses Aufeinandertreffen sehen. Thorsten Schlumberger und Werner Rank erzielten die Treffer, am Ende hieß es 2:2. Kommender Gegner ist natürlich nicht der FC Stahl Brandenburg, der bedauerlicherweise nur noch in der Landesliga kickt, sondern der Brandenburger SC Süd 05. Die Blau-Weiß-Fans freuen sich auf jeden Fall auf diese Sause und es darf mit Auswärtssupport gerechnet werden.
Und die Amateure des F.C. Hansa Rostock? Sie werden die gestrige Schlappe locker verschmerzen können. Rang vier ist weiterhin der Stand der Dinge. Am kommenden Samstag wird im Volksstadion der SC Staaken 1919 empfangen, in der Woche darauf geht es am Sonntag nach Stendal. Wohl denn, es lebe der Amateurfußball!
Fotos: Marco Bertram
Quelle: turus.net